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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 08.06.2000
Aktenzeichen: 13 UF 106/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1671 II Nr. 2
Der Gesetzgeber hat das gemeinsame Sorgerecht nicht als Regelfall ausgestaltet.

SchlHOLG, 4. FamS., Beschluß vom 08. Juni 2000, - 13 UF 106/99 -


Beschluß

13 UF 106/99 49 F 426/97 AG Pinneberg

Verkündet am: 08. Juni 2000

Koschinski, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

des Herrn

Antragsgegners und Beschwerdeführers,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen in Schleswig -

gegen

Frau

Antragstellerin und Beschwerdegegnerin,

- Prozeßbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Petersen, Dr. Peters, Grimm, v. Hobe, Dr. Petersen und Schober in Schleswig -

hat der 4. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 25. Mai 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Friedrichsen, die Richterin am Oberlandesgericht Jantzen und den Richter am Oberlandesgericht Hohmann am 08. Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Entscheidung über die elterliche Sorge im Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Pinneberg vom 02. März 1999 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert beträgt 1.500,- DM.

Gründe:

Die am geborene Antragstellerin, Kinderkrankenschwester von Beruf, und der am geborene Antragsgegner, ein Libanese, schlossen am 1980 die Ehe. Die Trennung erfolgte im November 1997.

Aus der Ehe sind fünf Kinder hervorgegangen, S, geb. am F, geb. am A, geb. am , L, geb. am und T, geb. am

Schon kurz nach der Trennung kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten wegen der elterlichen Sorge. Deswegen erließ das Amtsgericht - Familiengericht - Pinneberg am 26.11.1997 auf Antrag der Antragstellerin eine einstweilige Anordnung, in der es das Aufenthaltsbestimmungsrechts für die fünf Kinder auf das Kreisjugendamt Pinneberg übertrug. Durch einstweilige Anordnung vom 04.03.1998 übertrug das Familiengericht die elterliche für die Kinder für die Zeit des Getrenntlebens auf die Antragstellerin; diese Entscheidung beruhte auf einer einverständlichen Erklärung beider Eltern, der das zuständige Jugendamt zugestimmt hatte.

Die Antragstellerin hat die Scheidung der Ehe und mit der Behauptung, es sei während der Ehe zu erheblichen körperlichen Auseinandersetzungen mit dem Antragsgegner im Beisein der Kinder gekommen, weiter beantragt, ihr die elterliche Sorge für die Kinder zu übertragen.

Der Antragsgegner hat beantragt, diesen Antrag zurückzuweisen.

Er hat eingeräumt, daß es während des Zusammenlebens zu unerfreulichen Auseinandersetzungen gekommen sei, die er bereue. Zu bedenken sei allerdings, daß er ein inniges Verhältnis zu seinen Kindern habe. Es bestehe daher kein Anlaß, der Antragstellerin die elterliche Sorge allein zu übertragen.

Das Amtsgericht hat durch am 02.03.1999 verkündetes Urteil die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und die elterliche Sorge für die fünf Kinder der Parteien auf die Antragstellerin übertragen. Zur Begründung dieser Entscheidung hat es ausgeführt: Beide Eltern hätten zwar ein liebevolle Beziehung zu den Kindern. Das Verhältnis der Eltern sei aber derartig spannungsreich, daß die Kinder immer wieder in deren Auseinandersetzung einbezogen worden seien. Dies ergebe sich aus den eingeholten Stellungnahmen des Jugendamtes und habe sich auch in der mündlichen Verhandlung und in der Anhörung der Kinder S, T und A am 03.02.1999 gezeigt. Das gemeinsame Sorgerecht entspreche nicht dem Wohl der Kinder, solange die Eltern noch dermaßen unbeherrscht miteinander umgingen.

Der Antragsgegner hat gegen den Ausspruch der elterlichen Sorge Beschwerde eingelegt. Er hat gerügt, daß sich aus den Akten nicht zweifelsfrei ergebe, ob die Kinder angehört worden seien; jedenfalls sei ein Vermerk über den Inhalt der Anhörung den Akten nicht zu entnehmen. Die Entscheidung des Amtsgerichts werde den geänderten Verhältnissen nicht gerecht. Die früher vorhandenen Spannungen zwischen den Eltern hätten sich zwischenzeitlich nämlich erledigt. Das zeige sich daran, daß es zu Absprachen über das Umgangsrecht komme und er während eines Aufenthalts in Libanon (Juni und Juli 1999) Telefongespräche mit den Kindern habe führen können. Auch habe er während eines Urlaubs der Antragstellerin in Pakistan - als die Kinder durch ihre Mutter betreut worden seien - sehr viel Zeit für die Kinder aufgewendet. Da die Spannungen aus der Ehezeit sich abgebaut hätten, entspreche es dem Wohl der Kinder, wenn den Parteien das gemeinsame Sorgerecht zustehe.

Der Antragsgegner beantragt,

die angefochtene Entscheidung im Ausspruch über die elterliche Sorge zu ändern, den Antrag der Antragstellerin auf Übertragung der elterlichen Sorge für die gemeinsamen Kinder S, F, A, L und T zurückzuweisen und den Parteien das gemeinsame Sorgerecht zu übertragen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen.

Sie trägt vor: Es sei zwar zutreffend, daß der Umgang zwischen dem Antragsgegner und jedenfalls den drei älteren Kindern reibungslos verlaufe. Das beruhe allerdings nur darauf, daß die Eltern ihre Kontakte auf ein absolutes Minimum beschränkten. Sobald es über die Regelung des Umgangsrechts hinaus zu Gesprächen komme, endeten diese in heftigsten Auseinandersetzungen auch in Gegenwart der Kinder. Dies habe seinen Grund darin, daß sie - die Antragstellerin - die Gewalttätigkeiten und körperlichen Übergriffe des Antragsgegners nicht vergessen könne. Hinzukomme, daß er nicht verwunden habe, daß sie eine neue Ehe eingegangen sei, aus der zwischenzeitlich ein Kind hervorgegangen sei.

Der Senat hat die drei ältesten Kinder und die Mitarbeiterin des Kreisjugendamtes Pinneberg, Frau M, angehört.

Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge beider Eltern und deren Übertragung auf die Antragstellerin entspricht am besten dem Wohle der Kinder (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

Der Antragsgegner kann dem nicht entgegen halten, daß die gemeinsame Sorge nach der seit dem 1.7. 1998 geltenden Gesetzeslage der Regelfall, die alleinige Sorge nur eines Elternteils hingegen die Ausnahme sei. Denn das KindRG hat die gemeinsame Sorge nicht als Regelfall ausgestaltet. Die Neuregelung des Rechts der elterlichen Sorge durch das KindRG enthält kein Regel-Ausnahmeverhältnis, in dem Sinne, daß eine Priorität zu Gunsten der gemeinsamen elterlichen Sorge besteht und die Alleinsorge eines Elternteils nur in Ausnahmefällen als ultima ratio in Betracht komme soll. Vielmehr verzichtet das Gesetz sowohl bei der Trennung als auch bei der Scheidung auf eine gerichtliche Sorgerechtsentscheidung von Amts wegen mit der Folge, daß die bisher bestehende gemeinsame Sorge der Eltern fortdauert. Wird hingegen ein Antrag auf Übertragung der Alleinsorge gestellt, so ist diesem entweder stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt oder zu erwarten ist, daß die beantragte Regelung dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1671 II Nr. 2 BGB). Danach soll es zwar in erster Linie Sache der Eltern sein zu entscheiden, ob sie die gemeinsame Sorge nach ihrer Scheidung beibehalten wollen oder nicht. Daraus ist jedoch nicht der Schluß zu ziehen, daß der gemeinsamen Sorge künftig ein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils eingeräumt werden sollte. Ebensowenig besteht eine gesetzliche Vermutung dafür, daß die gemeinsame elterliche Sorge im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung sei. Einer solchen Regelung steht bereits entgegen, daß sich elterliche Gemeinsamkeiten in der Realität nicht verordnen lassen. Die alleinige elterliche Sorge kann daher schon deshalb nicht als Ausnahmeregelung behandelt werden, weil sie diejenige Sorgerechtsform ist, die bei Uneinigkeit der Eltern nach dem Maßstab des Kindeswohls gerichtlich bestimmt wird (vgl. BGH FamRZ 1999, 1646). Ist die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge auf die Antragstellerin daher nicht nur eine vom Gesetz vorgesehene ultima ratio, so ist entscheidend darauf abzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl der Kinder am besten entspricht (§ 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Das ist hier der Fall mit der Folge, daß die elterliche Sorge für die fünf Kinder der Parteien der Antragstellerin zu übertragen ist. Dafür maßgebend sind die Konflikte der Eltern, die auch nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe fortwirken. Zwar schließt nicht jede Spannung oder Streitigkeit der geschiedenen Eltern das gemeinsame Sorgerecht aus. Die Entscheidung nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB hat aber maßgeblich darauf abzustellen, welche Auswirkungen eine mangelnde Einigungsfähigkeit der Eltern bei einer Gesamtbeurteilung der Verhältnisse auf die Entwicklung und auf das Wohl der Kinder haben werden. Dazu hat die Anhörung der Parteien vor dem Senat ergeben, daß - entgegen der Darstellung des Antragsgegners - auch nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe der Parteien ein sachliches Gespräch der Parteien - ausgerichtet am Wohle der Kinder - und eine sachliche Auseinandersetzung über die Fragen der elterlichen Sorge nicht möglich ist. Beide haben ausgesagt, daß der Antragsgegner jedenfalls mit den drei älteren Kindern regelmäßig sein Umgangsrecht ausübt, mit den beiden jüngsten Kindern hingegen nur selten und auch nur dann, wenn diese sich bei der Großmutter aufhalten. Jedoch waren beide Elternteile alsbald bestrebt, die in der Ehe bestehenden erheblichen Spannungen und die damit in Zusammenhang stehenden Geschehnisse aufzuarbeiten und dem jeweils anderen deutlich zu machen, daß er die Verantwortung für die körperlichen Auseinandersetzungen trage, wobei der Antragsgegner darauf verwies, von der Antragstellerin geschlagen worden zu sein. Andererseits hat der Antragsgegner beteuert - und das glaubt der Senat ihm auch -, daß ihm an dem Wohl der Kinder sehr viel gelegen sei und er nur deswegen zunächst den Besuch Ss in einer Privatschule in Hamburg St. Georg abgelehnt habe, weil St. Georg kein geeigneter Aufenthaltsort für seinen Sohn sei. Auch kommt es - wie beide Elternteile bekundet haben - zu telefonischen Kontakten, durch die der Antragsgegner seine Wünsche nach einem Besuch der Kinder anmeldet, die die Antragstellerin nicht immer und auch zu Recht nicht erfüllen kann, weil der Antragsgegner solche Besuche kurzfristig und zu einer Zeit verlangt, zu der die Kinder im Bett zu liegen haben. Dies alles ändert aber nichts daran, daß die Parteien noch in der Aufarbeitung ihrer Beziehung und der schweren Spannungen aus der Ehe verhaftet und nicht in der Lage sind, das Wohl der Kinder in der Zukunft konfliktfrei zu lösen. Dies hat auch die Anhörung der Mitarbeiterin des zuständigen Jugendamtes, Frau M, ergeben. Sie hat ausgeführt, daß der von dem Jugendamt eingeschaltete Jugendpsychologe je ein Gespräch mit den Eltern geführt hat, die jedoch von gegenseitigen Schuldzuweisungen geprägt waren und keine Möglichkeit aufzeigten, wegen der Kinder zu einer Einigung zu kommen. Frau M hat dargelegt, es gebe starke Schwierigkeiten bei der Kommunikation zwischen den Eltern, weil solche Gespräche sich nicht auf die Fragen beschränkten, die mit der Erziehung und Betreuung der Kinder im Zusammenhang stünden, sondern in gegenseitigen Vorwürfen gipfelten. Dies entspricht dem Eindruck des Senats, den er bei der persönlichen Anhörung gewonnen hat. Ist aber ein konfliktfreier Konsens und eine entsprechende Kooperationsbereitschaft nicht möglich, entspricht es dem Wohl der Kinder nicht, beiden Eltern die gemeinsame Sorge zu übertragen. Das Amtsgericht hat daher zutreffend die elterliche Sorge der Antragstellerin allein übertragen. Daß die Kinder durch die zwischen den Eltern bestehenden Spannungen beeinträchtigt werden, hat deren persönliche Anhörung ergeben. S, F und A haben übereinstimmend bekundet, daß sie gern bei ihrem Vater sind. Sie haben weiter berichtet, daß auch die beiden jüngeren Geschwister L und T sich jedes Mal freuen, wenn sie ihren Vater bei der Großmutter sehen dürfen. Die älteren Geschwister haben dem Senat darüberhinaus mitgeteilt, daß sie auch außerhalb des zweiwöchigen Rhythmus ihren Vater gern einmal sehen würden, aber damit rechnen, daß die Antragstellerin entsprechende Bitten abweist, weil sie Vorbehalte gegen den Antragsgegner hat. Bei dieser Sachlage entspricht die gemeinsame elterliche Sorge nicht dem Wohle der Kinder, da diese in die nach wie vor bestehenden Spannungen zwischen den Eltern hineingezogen würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 3 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf § 12 Abs. 2 S. 3 GKG.

Ende der Entscheidung

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